Die Stadt Wiesbaden, vertreten von der Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG), plant auf dem Areal des Ostfelds/Kalkofen zwischen Erbenheim, Kastel und Amöneburg den Bau von Wohnungen für 10.000 Einwohner, die Ansiedlung des BKA sowie von Gewerbe. D. h. von ca. 450 ha Fläche werden mindestens 240 ha umgewandelt.
Der NABU KV Wiesbaden lehnt dieses Vorhaben aus folgenden Gründen ab:
1. Mit der geplanten Bebauung wird ein bedeutendes Kaltluftentstehungsgebiet stark minimiert bis zerstört.
2. Das Gebiet stellt eine wichtige Kaltluftleitbahn, die bis in die Mainzer Innenstadt reicht, dar, die unterbrochen würde.
Beide Fakten hätten Auswirkungen auf deutlich mehr als 10.000 Menschen und sind durch die KLIMPRAX-Studie des Hessischen Landeamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie belegt. Die von der SEG in Auftrag gegebene Untersuchung durch die Firma GeoNET berücksichtigt dagegen nur das Plangebiet und die unmittelbare Umgebung, greift also zu kurz.
Im gültigen Landesentwicklungsplan des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen ist festgelegt, das o.g. Gebiete Vorranggebiete für Klimafunktionen darstellen.
Daran orientierte sich auch die zuständige Regionalversammlung Süd, die bisher Eingriffe in Entstehungsgebiete für Kalt- und Frischluft verbietet.
3. Das Plangebiet zerstört große Teile des vorhandenen Landschaftschutzgebietes und einen Grünzug, der sowohl als Biotop als auch der Biotopvernetzung dient. Das hätte erhebliche Auswirkung auf die vorhandenen Arten. Stellvertretend sei hier auf die Feldlerchenpopulation, sowie geschützte Greifvögel wie den Schwarzmilan verwiesen.
Im bisherigen Regionalentwicklungsplan ist dagegen der Erhalt von Grünzügen vorgegeben.
4. Das Planungsgebiet zerstört ca. 50 ha hochwertige Ackerböden. In der Vergangenheit wurden für viele größere Projekte der Stadt landwirtschaftliche Flächen bebaut oder als Ausgleichsflächen genutzt, ein auf Dauer für die noch aktiven Landwirte Existenz bedrohender Umstand. Hier sollte die Erzeugung und Vermarktung regionaler Produkte Vorrang genießen.
5. Das neue Wohngebiet grenzt an einen Militärflughafen an. Das bedeutet niedrigere Lärmschutzanforderungen als bei einem Zivilflughafen. Auch wenn die Sichtflugroute neuerdings nicht mehr direkt über Wohngebiet führt, sind die Auswirkungen erheblich. Die Verlegung weiterer Hubschrauber nach Erbenheim ist angekündigt.
6. Die Verkehrsanbindung an den ÖPNV ist nach dem Bürgerentscheid gegen die Citybahn offen. Eine starke Zunahme des Individualverkehrs ist zu erwarten, damit zusätzliche, ungelöste Verkehrsprobleme.
7. An der Hochschule Geisenheim kam eine Studie zu Auswirkungen des Klimawandels auf Natur und Landschaft im Rhein-Main-Gebiet zu dem Ergebnis, das „vor allem in städtischen Räumen wie Wiesbaden (…) der Förderung einer stadtgebietsübergreifenden grünen und blauen Infrastruktur durch Grünstrukturen und Gewässer eine zentrale Rolle zu“ kommt. Diese leisten zugleich Beiträge für einen Biotoverbund, der vom Klimawandel betroffenen Arten das Ausweichen erleichtert.“
8. Angesichts der Folgen der Corona Pandemie sind viele Arbeitsplätze ins Homeoffice verlegt worden, sodass auf Dauer weniger Bürobedarf bestehen dürfte. Auch der Zuzug nach Wiesbaden ist laut Statistik nicht so groß wie ursprünglich angenommen.
Laut einer Deutschlandstudie der Universität Darmstadt und des Pestel-Instituts könnten durch die Nutzung innerstädtischer Flächen für Wohnungsbau in deutschen Städten 2,3 bis 2,7 Millionen Wohnungen geschaffen werden. „Es gebe genügend Potential, auch ohne das Grünflächen verschwinden müssten. Eingeschossige Gewerbebauten könnte man durch mehrstöckige Gebäude ersetzen, ungenutzte Gewerbeflächen bebauen oder bestehende Gebäude aufstocken.“ „Büros, Parkhäuser oder Bürotürme, Kirchen oder Kasernen müssen oft gar nicht abgerissen werden, sondern lassen sich umbauen oder aufstocken.“
NABU Kreisverband Wiesbaden